Der neue Art. 60 Abs. 1bis VVG im Lichte des intertemporalen Rechts: Ein direktes Forderungsrecht für neue und alte Versicherungsverträge?
Mit Inkrafttreten des teilrevidierten Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) per
1. Januar 2022 wurde dem geschädigten Dritten gemäss Art. 60 Abs. 1bis VVG ein direktes Forderungsrecht
gegenüber der Versicherung eingeräumt. Angesichts des unklaren Wortlauts von Art. 103a
VVG – der wohlgemerkt einzigen VVG-spezifischen Übergangsbestimmung – ist ein Meinungsstreit
über die Frage entbrannt, wie sich das neue Recht auswirkt: Gilt das direkte Forderungsrecht
lediglich für neue, das heisst nach Inkrafttreten des neuen VVG abgeschlossene Versicherungsverträge
oder gilt es ebenso für alte Versicherungsverträge, die noch unter dem bisherigen Recht abgeschlossen
worden sind? Vorliegend werden die verschiedenen Ansichten in Anlehnung an die Grundsätze der juristischen
Methodenlehre sowie anhand konkreter Fallbeispiele diskutiert. Die Autoren kommen hierbei
zum Ergebnis, dass das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG auf alle Versicherungsverträge
Anwendung finden muss, somit auch auf jene, die vor Inkrafttreten des teilrevidierten VVG
abgeschlossen worden sind.