HAVE 4/2011

Totalrevision VVG – zur Publikation der bundesrätlichen Botschaft

Stephan Fuhrer, Seite 343

Die Totalrevision des VVG schreitet in Dreijahresschritten voran. 2003 setzte die damalige Bundesrätin Ruth Metzler die Expertenkommission unter dem Vorsitz von Prof. Anton K. Schnyder ein. 2006 lieferte diese ihren Entwurf samt erläuterndem Bericht dem EJPD ab. 2009 schickte die Bundesverwaltung einen modifizierten Entwurf in die Vernehmlassung. 2012 wird die Phase der parlamentarischen Beratungen beginnen und – vielleicht – tritt das neue Gesetz dann 2015 in Kraft. Im September dieses Jahres veröffentlichte der Bundesrat Botschaft und Entwurf zuhanden der Eidgenössischen Räte1. Damit ist die Phase der politischen Diskussion eröffnet. An dieser Stelle soll der bundesrätliche Entwurf vorgestellt werden2, im Forum dieser Ausgabe finden sich weitere Beiträge zur Totalrevision des VVG.

Gleich und Gleich gesellt sich gern? - Überlegungen zur Einführung verpflichtender Einheitstarife im europäisierten Versicherungsvertragsrecht

Leander D. Loacker, Seite 351

Mit Ende 2012 wird es innerhalb der Europäischen Union verboten sein, bei Prämien und Leistungen nach der Geschlechtszugehörigkeit der Versicherten zu differenzieren. Mit der höchst umstrittenen Verankerung eines solchen Prinzips der Geschlechterneutralität sind nicht nur für die Versicherungsindustrie beträchtliche Herausforderungen verbunden, sondern es entsteht auch Handlungsbedarf für die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber, die bisher vielfach eine geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung geduldet oder in bestimmten Sparten sogar gefordert haben. Erzwungen wurde der unionsweite Paradigmenwechsel durch eine wegweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Diese hat für das schweizerische Versicherungswesen zwar keine unmittelbaren Folgen, ihre Analyse interessiert jedoch mit Blick auf künftige parlamentarische Vorstösse (auch) hierzulande. Ob das Urteil insgesamt genügend Überzeugungskraft birgt, um die – Differenzierungen nach wie vor zulassende – schweizerische Rechtslage neu zu überdenken, ist eine der Fragen, denen der folgende Beitrag nachgeht.

Umgang mit Emerging Risks aus der Sicht des Haftpflichtversicherers

René Oefeli, Seite 362

Der Umgang mit Emerging Risks stellt für die betroffenen Unternehmungen – aber auch für den Staat und den Haftpflichtversicherer – eine besondere Herausforderung dar. Angesprochen sind hier neuartige, zukunftsbezogene Risiken, die sich dynamisch entwickeln und – wenn überhaupt – nur bedingt erkennbar und kaum monetär bewertbar sind. Aus der Sicht des Haftpflichtversicherers handelt es sich dabei in erster Linie um das sog. Änderungsrisiko, das heisst um technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen, welche eine Veränderung der Risikolandschaft bewirken. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den sich aus veränderten Rahmenbedingungen ergebenden Emerging Risks hilft, Gefahrenpotenziale richtig zu bewältigen, aber auch Chancen zu erkennen.

Von der Europäischen Menschenrechtskonvention, den adäquaten Kausalzusammenhängen, den Normhypothesen und dem Gleichheitssatz

Philip Stolkin, Seite 378

Der Autor ist der Auffassung, dass das Bundesgericht mit der in der Invalidenversicherung vertretenen Normhypothese, wonach Menschen, die an einer somatoformen Schmerzstörung leiden, bei einer zumutbaren Willensanstrengung wieder ins Erwerbsleben einsteigen können und ebenso mit den besonderen Adäquanzkriterien, die in der Unfallversicherung bei psychischen Einschränkungen oder Distorsionen der Halswirbelsäule zur Anwendung kommen, gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) verstosse.

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