HAVE 4/2014

«Unterwegs zuhause» im Irrgarten des Personenbeförderungsvertrags

Shirin Grünig, Seite 347

Der Personenbeförderungsvertrag ist eminent wichtig. Das zeigt schon der Umstand, dass die SBB täglich über eine Million Passagiere transportieren. Umso überraschender ist es, dass die Haftung aus diesem Massenvertrag äusserst unklar geregelt ist – und dies niemanden weiter zu bekümmern scheint. Der Beitrag kommt nach Analyse der Rechtslage zum Ergebnis, dass sich diese Vertragshaftung je nach Haftungskonstellation nach zwei verschiedenen Gesetzen richtet.

Das Personenbeförderungsgesetz regelt ausschliesslich die Haftung aus Verspätung und die Haftung für den Verlust oder die Beschädigung von Gepäck und statuiert einen strengen Rügevorbehalt sowie eine kurze Verjährungsfrist.

Anders verhält es sich bei Personenschäden. Sie sind nicht Gegenstand des Spezialgesetzes, sondern fallen unter die allgemeine Vertragshaftung des Obligationenrechts.

Anything goes – Haftpflichtrecht im Offside

Pierre Widmer, Seite 363

Der folgende Artikel ist als Streitschrift gedacht. Es soll aufgezeigt werden, dass die haftpflichtrechtliche Doktrin in der Schweiz auf Abwege zu geraten droht. Dies aus mehreren Gründen: Einerseits, weil man versucht, mithilfe des Schadenersatzrechts Ziele einer breiteren und sozial verträglicheren Streuung der Schäden anzupeilen, wofür das Privatrecht ungeeignet ist; hier gibt es nicht nur die Opferperspektive. Anderseits, weil dabei zu stark auf ausser- und metajuristische Theorien und Argumente abgestellt wird, welche eher dazu beitragen, die Probleme zu vernebeln als die adäquate Zurechnung eines Schadens zu einer verantwortlichen Person zu verbessern. Der Entwurf OR 2020 ist zum einen Ausdruck der oben beschriebenen Ausweitungstendenz, zum andern öffnet er offensichtlich Einfallstore für psychologisierende Verfremdungen eines an sich bewährten Systems.

Klagen gegen Fahrzeughersteller – vom kastenförmigen Range Rover und von fehlenden Airbags

Andrea Haefeli/Arnold Rush, Seite 370

Wer die Produktehaftpflicht in den USA studiert, trifft auf «no airbag cases». Sie basieren auf dem Vorwurf, der Hersteller habe den Einbau eines Airbags unterlassen, obwohl dies möglich gewesen wäre und der Unfall mit Airbag weniger schlimme Verletzungen provoziert hätte. Ähnliche Klagen betreffen gefährliche Geländewagen und das Fehlen eines elektronischen Stabilitätsprogramms. Der Beitrag zeigt, warum dies auch in der Schweiz gelten sollte und sich als Motor des Fortschritts erweisen könnte.

L’économicité en matière d’assurance

Vincent Brulhart, Seite 376

Die Wirtschaftlichkeit ist ein Kriterium in den Wirtschaftswissenschaften und wird mit der Ressourcenknappheit begründet, die auch in der Versicherungswirtschaft gilt. Neben der wirtschaftlichen Komponente (Ressourceneffizienz) beinhalten alle Entscheidungen, die in Anwendung von Gegenseitigkeitsmodellen getroffen werden, auch eine solidarische, selbst wenn die beiden Aspekte je nach anvisierter Versicherungsart (Sozialversicherung oder Privatversicherung) verschieden sind. In Bezug auf die Behandlungskosten gewährleistet die Wirtschaftlichkeit ein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. Sie führt aber in einigen Fällen auch zu Leistungsbegrenzungen. Dazu müssen die Entscheidungskriterien festgelegt werden. Wenn letztere an ökonomischen Prinzipien gemessen werden, ist man gezwungen, der Gesundheit oder dem menschlichen Leben im Allgemeinen einen wirtschaftlichen Wert zuzuweisen.

Die Überprüfung der Renten bei pathogenetischätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage

Nicolas Spichtin, Seite 388

Seit 2012 gelten die Bestimmungen der sogenannten «IV-Revision 6a», mit der die Renten bei «pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage» überprüft werden können und deren Bezüger mittels Eingliederungsmassnahmen verstärkt wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. Der Beitrag zeigt auf, mit welchen Erwartungen die Revision auf den Weg gebracht wurde, und kommt nach kritischer Untersuchung zu dem Schluss, dass die angestrebten Ziele bis Ende des Jahres wohl kaum erreicht werden können.

Zurück