Urteil des OGer ZH LB100030 vom 19. Oktober 2011 (rechtskräftig)
Im hier besprochenen Entscheid hatte das Gericht über eine Versicherungsklausel zu befinden, die es der beklagten Versicherungsgesellschaft erlauben soll, eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu sistieren wenn der Versicherte seinen Wohnsitz in ein Land ausserhalb der Schweiz oder des Fürstentums Liechtenstein verlegt
Die strittige Bestimmung lautete wie folgt:
«La rente n’est pas due a) […]; b) lorsque l’assuré séjourne hors de Suisse ou de la Principauté de Liechtenstein; c) […].»
Sowohl das Bezirksgericht wie das Obergericht gelangten zum Schluss, dass die in Art. 27 Ziff. 3 lit. b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendete Formulierung eindeutig und klar ist. Es bestand somit kein Anlass, die fragliche Klausel gegen die Beklagte als Verfasserin auszulegen. Aufgrund des klaren Wortlauts konnte und durfte die strittige Klausel in guten Treuen nur so verstanden werden, dass der Rentenanspruch bei Aufenthalt des Versicherten im Ausland entfällt.
Das Bezirksgericht hatte diesen Ausschluss allerdings sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht als ungewöhnlich beurteilt weshalb die Bestimmung unter Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel von der globalen Zustimmung von den AVB ausgenommen wurde. Das OGer widerspricht dieser Auffassung und hält fest, dass für die Frage der Ungewöhnlichkeit die inhaltliche Unangemessenheit einer Bestimmung keine Rolle spiele. Die Ungewöhnlichkeit sei eine Frage der Konsensbildung. Der Deckungsumfang und die Einschränkung der umschriebenen Gefahr durch Ausschlussklauseln seien der eigentliche Gegenstand von Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Art. 27 Ziffer 3 umfasse verschiedene Deckungsausschlüsse. Von einem versteckten Deckungsausschluss könne nicht gesprochen werden, vielmehr sei dieser vertragstypisch: «Die Frage nach dem räumlichen Geltungsbereich stellt sich bei jedem Versicherungsvertrag. Darauf bezogene Bedingungen werden als zulässiger und gängiger Gegenstand von Deckungsausschlüssen genannt. Die Zulässigkeit gründet auf dem Territorialitätsprinzip, gemäss dem Leistungen an sich im Ausland aufhaltende Versicherte nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgerichtet werden, da die territoriale Ausdehnung des Versicherungsschutzes z.B. in erheblichem Ausmass die Prämienhöhe beeinflussen kann oder der Versicherer z.B. ohne intensive und damit nicht zumutbare Nachforschungen nicht beurteilen kann, ob eine geltend gemachte Erkrankung tatsächlich eine behauptete Arbeitsunfähigkeit bewirkt […]. Gleiches muss für die Überprüfbarkeit einer andauernden Erwerbsunfähigkeit bzw. Invalidität gelten, welche im Ausland nur schwer zu bewerkstelligen sein dürfte. Die streitige Regelung ist damit nicht aussergewöhnlich.»
[Die Autorin hat uns das Urteil in anonymisierter Form freundlicherweise zur Verfügung gestellt, es kann hier heruntergeladen werden.]